Vorratsschutz bei Lebensmitteln - Quo vadis?
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Bericht zur 7. Internationalen Konferenz über kontrollierte Atmosphäre und Begasung bei gelagerten Produkten - CAF2004
von Prof. Dr. Reinhard Matissek Lebensmittelchemisches Institut (LCI) des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie, Köln
Vorratsschutz, also der Schutz von Lebensmitteln und ihren Rohstoffen vor Verderb sowie vor Befall mit Schädlingen (Insekten, Nagern etc.) oder mikrobiologischen Or-ganismen (Schimmelpilze etc.) bzw. der Kontamination mit deren toxischen Stoffwechselprodukten (z.B. Mykotoxinen) während Lagerung und Transport, ist ein immens wichtiges Thema, da anderweitig hohe Verluste dieser für die Ernährung der Menschheit unabdingbaren Güter drohen.
Die im vierjährigen Turnus stattfindende, weltweit führende wissenschaftliche Veranstaltung zu dieser Gesamtthematik - die International Conference on Controlled Atmosphere and Fumigation in Stored Products (CAF) - beschäftigt sich daher in regelmäßigen Abständen mit diesem ständig an Bedeutung zunehmendem Arbeits- und Forschungsgebiet. Schwerpunktthema der diesjährigen, bereits siebenten Konferenz, die vom 8.-13.8.2004 in Broadbeach, Queensland/Australien stattfand, war die Frage nach nachhaltigen Alternativen zur Begasung (Sustainable Fumigation Alternatives).
Etwa 150 Teilnehmer aus allen Regionen der Erde versammelten sich unter dem Dach der CAF2004, um über bevorstehende Änderungen, bestehende Probleme sowie neueste Entwicklungen beim Einsatz von Begasungsmitteln bzw. deren Anwendungstechnologie Informationen auszutauschen, zu diskutieren und zu beraten. Diese Thematik unterliegt zur zeit unter anderem auch deshalb einer besonders starken Dynamik, da neben der Änderung von rechtlichen Vorgaben, neue Schädlinge auftreten sowie Resistenzen bei Schädlingen zunehmen und daher neue, wirksame Behandlungsmittel und -verfahren entwickelt bzw. fortentwickelt werden müssen. Qualitätsrelevante Fragen stehen in diesem Expertenkreis naturgemäß bislang nicht im Zentrum der Betrachtungen. Aus Sicht der verarbeitenden Lebensmittelindustrie ist dies aber neben der Produktsicherheit eine Kernfrage. Um das Bewusstsein für dieses Thematik im Bereich der Kakaolagerung zu schärfen, wurde von Herrn Prof. Dr. Reinhard Matissek, Lebensmittelchemische Institut (LCI) des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie der neue Kakao-Atlas vorgestellt, der im Rahmen eines von der Stiftung der Deutschen Kakao- und Schokoladenwirtschaft geförderten mehrjährigen Forschungsprojektes von der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit LCI Köln und IQ.Köln erarbeitet worden war.
Methylbromid (MeBr): Bis etwa 1960 kam Methylbromid in der Luft nur aus natürlichen Quellen in Konzentrationen bis zu 0,0055 mol/l vor. Durch Herstellung und Anwendung als Begasungsmittel durch den Menschen stieg diese Konzentration langsam aber ständig an und führte aufgrund des in höheren Luftschichten (Troposphäre) der Erde stattfindenden Ozonabbaus durch diese Substanz zu dem als "Ozonloch" bekannten Phänomen (Problem der verstärkten UV-Durchlässigkeit auf bestimmten Teilen der Erde und Einwirkung auf deren Bewohner). Durch die Verpflichtungen gemäß des Montreal-Abkommens wird die Anwendung von Methylbromid als im Vorratsschutz gut wirksames, aber die Umwelt zu stark schädigendes Begasungsmittel in den entwickelten Ländern zum 1.1.2005 generell auslaufen (seit 2000 Beginn des "phase-out"). Nur wenige Ausnahmen bei der Anwendung sind dann noch möglich und auch nur dann, wenn "technisch und ökonomisch begründbar" (sog. post-harvest rapid disinfestation). In den Entwicklungsländern gelten die Regelungen mit 10 Jahren Zeitversatz, also erst zum 1.1.2015. Nach vorläufigen Einschätzungen deuten die neuesten Messergebnisse erstmalig keinen weiteren Ozonabbau in der Troposphäre mehr an, so dass die bislang vorgenommenen und geplanten Anstrengungen der Reduzierung von Ozonabbauenden Gasen (wie Methylbromid) als richtig und erfolgsversprechend angesehen werden und konsequent weitergeführt werden müssen.
Phosphin (PH3): Phosphin ist das einzige Ersatzbegasungsmittel für Methylbromid, dass weltweit über längere Zeit geprüft und angewendet wird. Üblicherweise wird das Phosphingas aus Vorstufen in Tablettenform durch Reaktion mit Wasser generiert, was aber zu Rückständen aus den Reaktionskomponenten führt (Aluminium). Als eine neues Verfahren - ohne diese Nachteile - wurde deshalb der Einsatz des puren Gases aus Gasflaschen vorgestellt. Eines der größten Probleme der Phosphinbegasung ist die Möglichkeit der Resistenzbildung bei Insektenschädlingen, gegen die die Anwender einen mühsamen Kampf führen.
Andere Begasungsmittel: Stoffe, wie Sulfurylchlorid, Sulfurylfluorid, Kohlenstoffdisulfid (Carbon disulfid), Ethylformiat (EtF, Vorsicht, in bestimmten Konzentrationen mit Luft sehr explosiv), ätherische Öle aus bestimmten Pflanzen (z.B. Eukalyptusbäume) und dergleichen befinden sich entweder in der Erprobungsphase oder sind nur für ganz eingeschränkte Spezialanwendungen im Gebrauch, jedoch nicht generell zugelassen, so dass diese nicht als allgemeine Alternativen für Methylbromid angesehen werden können.
Sauerstoffentzug: Da alle Organismen zum Leben Sauerstoff benötigen (auch die verschiedenen Stadien von Insektenschädlingen), besteht eine effektive Art und Weise der Bekämpfung von Schädlingen durch Entzug des Selbigen. Unterschieden wird in Verfahren mit aktivem und passivem Sauerstoffenzug. Im ersteren Fall werden die zu schützenden Lebensmittelrohstoffe zunächst mit Hilfe spezieller sauerstoffdichter Kunststofffolien hermetisch umhüllt. Anschließend wird das System mit dem ungiftigen Begasungsmittel Stickstoff geflutet bis der Rest-Sauerstoffgehalt weniger als 0,1 % beträgt. Da die Sauerstoffmoleküle der Luft - im Gegensatz zu den kleineren Stickstoffmolekülen - nicht durch die sehr kleinen Mikroporen der Folie durch diffundieren können, bleibt die Atmosphäre um das Gut bis zu 100 Stunden auf diesem Level an Sauerstoff verarmt. Im zweiten Fall werden die Güter ebenfalls mit Hilfe spezieller, nun aber sehr flexibler Kunststofffolie hermetisch umschlossen (z.B. sog. PVC-Cocoons) und die gesamte Luft des Füllgutes mit leistungsstarken Vakuumpumpen (Unterdruck: ca. 50 mm Hg-Säule) für längere Zeit entfernt. Darüber hinaus sind Inertgase wie Kohlendioxid mit oder ohne Überdruck einsetzbar (kontrollierte Atmosphäre, CA).
Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltaspekte: Das heutige Wissens über die bekannten Begasungsmittel und deren Anwendungstechnologien, wird bei kritischer Hinterfragung als für die Zukunft nicht ausreichend angesehen. Um das erforderliche Wissen auf diesem Gebiet zu verbessern, sind gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Industrie und Behörden unabdingbar. Es wird davon ausgegangen, dass der Begasung zukünftig mehr und mehr Restriktionen auferlegt werden. So werden in den USA bei Begasungsvorhaben bereits sog. Pufferzonen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit gefordert.
Auch der Arbeitsschutz rückt verstärkt in den Blickpunkt des Interesses sowie ebenfalls die Eigenverantwortung der Hersteller und der Anwender. Eine generelle Reduktion der Begasungsmittelmengen kann durch Implementierung von Systemansätzen erreicht werden, die bislang aber als noch unterentwickelt gelten. Weiterhin werden Fragen nach der Zerstörung der Ozonschicht, Beeinflussung des Treibhauseffektes etwa durch Kohlendioxidgas aus CA-Lagerung erweitert um solche zur Kontrolle der Emissionen in die Atmosphäre und deren Minimierung durch Verfahren wie Recycling, Adsorption bzw. Auswaschen der Gase (Sustainability).
Der Entwicklung von Non-Fumignat Alternativen dürfte in Zukunft erstärkte Bedeutung zu kommen. Und schließlich wird die Frage zu klären sein, wie Begasungsmittel auf gentechnisch veränderte Produkte wirken. Sind diese bei den Zulassungsvoraussetzungen praktisch als neue Sorten zu behandeln? Den Einschätzungen zufolge wird ferner die Frage nach Rückständen bzw. Rückstandsbildung in den Lebensmitteln bzw. -rohstoffen verstärkt Aufmerksamkeit zukommen.
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